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17
Dezember
Entrückend
Die freiwillige Abschieds-Umarmung des Kindes, das man vor zwei Stunden kennenlernte.
02
Dezember
Dies hier schrieb ich vor ungefähr einem Jahr - zu genau dem Zeitpunkt, an dem mich die Worte wiederfanden, an dem ich wieder etwas mehr konnte als wimmernd in den Armen einer Freundin zu hängen oder vor mich hin zu starren oder das Funktionieren einfach aufzugeben oder zumindest aufgeben zu wollen. Genau ein Jahr ist es heute her, dass du beschlosst, deinem Leben sei endgültig der letzte Sinn abhanden gekommen und es beendetest. Die Art, mir zu bedeuten, dass ich nichts an deiner Entscheidung ändern kann, fühlt sich auch mit diesem Jahr Abstand maximalzynisch an. Mit der Art deines Todes straftest du nicht nur dich selbst, sondern auch die wenigen Menschen, die wissen, wie du es getan hast, die aus der Kombination weniger Aussagen und Tatsachen darum wissen, warum dein Sarg geschlossen war, es sein musste. Ich erkannte - endlich - dass zuviel zu wissen schädlich ist; ich lernte den Schlaf und seine immer wiederkehrenden Träume mehr zu fürchten als jedes wache Bewusstsein. Ich lernte durch dich, wieder einmal, dass ich mehr zu ertragen in der Lage bin, als ich für möglich gehalten hatte; und auch, dass mein Verantwortungsgefühl den Freunden, den besten gegenüber jedenfalls, niemals aufhört. Ein Jahr ist vergangen; unendlich viel ist in ihm passiert; ich fand alte Freunde wieder und neue dazu; ich erhielt Beistand von manch unerwarteter Seite, ich lernte vieles - über mich selbst, über andere, über dich auch. Tatsachen, die ich so nicht hatte sehen können oder wollen, wurden mir glasklar vor Augen geführt, von Menschen, die es besser wussten, die es besser wissen mussten als ich; ich wurde gefordert, bis an die Grenzen des erträglich scheinenden und manchmal auch darüber hinaus geführt. Ich lernte, zuzulassen, Hilfe nicht nur anzunehmen sondern auch zu erbitten, ich lernte, schwach zu sein, endlich. Ich lernte aber auch, dass jeder Mensch am Ende allein ist - nicht nur dass es so ist, sondern auch, dass es nicht anders sein kann; dass man sich selbst die letzte Instanz, der letzte Rückzugspunkt sein muss. Wenn mir in diesen Tagen jemand den wohlmeinenden Rat gibt, ich solle es nun langsam gut sein lassen mit der Trauer, kann ich nur ratlos mit den Achseln zucken. Ich bin zu müde, um darüber zu diskutieren, was es heißt, die beste Freundin des Selbstmörders zu sein; gewusst zu haben, wie es um ihm steht, und trotzdem nicht nur die Situation falsch eingeschätzt zu haben, sondern auch noch durch das Nichtverhindern der Tat ansich den einen Menschen verloren zu haben, der einem am allernächsten stand. Manchmal hasse ich dich dafür, mir diese Bürde auferlegt zu haben, denn ich habe sie nicht verdient. Meistens aber vermisse ich dich, auf eine Art, die fast körperlich schmerzt. Ich lernte, ohne dich zu leben - etwas, von dem ich nicht glaubte, es zu können. Ich schwanke und stolpere noch; an guten Tagen weniger, an allen anderen mehr - aber ich bewege mich vorwärts, Schritt für Schritt, auf einem Weg, den ich selbst bestimme. Trotz des Guten, das mir widerfuhr, seit du tot bist - ich würde gern auf das Meiste davon verzichten, wenn es dich nur zurückbringen würde. Es ist pathetisch, aber wahr - ich werde nie wieder die sein, die ich vorher war; die Leerstelle, die du hinterließt, ist zu groß, um jemals wieder geschlossen zu werden.
Der letzte Verstand, da geht er.
Und du bist immernoch da. – Element of Crime/Die letzte U-Bahn geht später Diese Worte schickte mir vor einer Weile jemand, der mein Leben in jeder nur erdenklichen Hinsicht bereicherte, einer, der in meinem Herzen da wohnt, wohin nur wenige überhaupt jemals den Weg finden können, ein überaus kluger und empathischer Mensch, ein Freund. Mein Seelenverwandter, könnte man sagen - derjenige, dem ich nichts von dem erklären muss, was ich denke, tue, empfinde, weil er es eben genauso denken, tun, empfinden würde. Einer, der wortlos versteht. Einer, unter all den Menschen, denen ich bislang begegnete, der genauso tickt wie ich, dessen Geist unruhig ist wie meiner, der immer auf der Suche nach dem Sinn in all dem ist. Mit seinem Eintreten in mein Leben war ich nicht mehr unvollständig, ich hatte meinen Ruhepunkt gefunden; wir waren uns Hoffnung und Halt, im Guten wie im Schlechten waren wir füreinander da. Freunde fürs Leben. Ich dachte, solange wir nur einander hätten, könne uns nichts passieren, irgendwie würde doch am Ende wieder alles gut werden, und wenn nicht gut, so doch wenigstens erträglich. Ich hielt ihn für den Stärkeren von uns beiden. Am Sonntag starb mein Freund und ich konnte nichts dagegen tun. Am Ende war er doch nicht so stark, wie ich annahm, am Ende ertrug er all das, was auf ihn einwirkte, nicht mehr, am Ende konnte ich ihn doch nicht mehr auffangen. Am Ende ging der letzte Verstand, und er war nicht mehr da. Ich vermisse ihn. Es ist, als schneide man mir einen elementaren Teil meiner selbst weg, ohne sich darum zu scheren, was aus dem Rest wird. Es tut weh. Ich möchte toben, schreien, insistieren, dass er zurückkommt. Mir bleibt aber nur, zu akzeptieren und mich zu verabschieden. Fallende Blätter spielen im Wind wirbeln herum und fallen irgendwo hin. Fallende Blätter wollen nichts mehr. Ich dachte wirklich, dass es diesmal für immer wär. – Element of Crime/Fallende Blätter Mach´s gut, Zwerg! Wir sehen uns - wann auch immer, wo auch immer.
27
November
Talking about:
Verlustängste kultivieren.
Stattdessen besser mal die Augenbrauen zupfen, das wäre sinntragender.
16
November
True Mathematics
Die wahre Schönheit der Einhandzahlen.
05
November
...
Die Tage haben sich einen Kokon aus Friedfertigkeit angelegt, gleich einem Weichzeichner, der mir über die Wahrnehmung gelegt wurde; selbst Menschen und Verhaltensweisen, die mich üblicherweise mindestens aufregen würden, werden davon geglättet und versacken ohne weiteren Laut in der ihnen zustehenden Bedeutungslosigkeit.
Ich lebe in Gedanken sowie von nächtlichen Telefonaten und Schokolade; eine Phase, die so anstrengend wie genussbringend ist und deren Ende ich mir erst in weiter Ferne wünsche. Kastanien und bunte Blätter auf dem Boden schaue ich so versonnen an wie ich sorgfältig Tage zähle - bloß nicht einen verpassen, den man abziehen kann! - und integriere einen Menschen in mein Leben, so selbstverständlich als hätte es nie etwas anderes gegeben, als wären vergangene Kränkungen wirklich ganz und gar vergangen - und vielleicht sind sie genau das auch. Kurzum, es ist Herbst, ich bin verliebt. Falls Sie gerade nicht, Sie sollten es auch in Betracht ziehen. Es gibt nichts Besseres, gerade in diesen Tagen.
19
September
...
Beim Blick in die Mailbox festzustellen, dass man zwar einen Kater vom gestrig begangenen Silvester (es schien eine gute Idee, genau jetzt ein Jahr zu beenden und ein neues zu starten) hat, aber keinen roten Kater kriegen wird, weil er schneller vor Ort in Spanien selbst vermittelt wurde, ist schon mehr als ironisch - insbesondere dann, wenn die Dame von der Tierhilfe einem dann schon ein kleine Auswahl anderer roter Katzen anpreist, die allesamt nur eines mit dem ausgewählten Kater gemein haben: rotes Fell. Das dunkelrote Schildpatt, in das ich mich beim ersten Blick verknallte, sowie den Schluffiblick, der mich ganz willenlos machte, hat keine von ihnen. Ich glaube, ich will keine andere Katze. Ich wollte Ole.
Punkt. Wieder zu lange gezögert und gezaudert, obwohl ich sehr schnell sehr genau wusste, was ich wollte. Das soll mir in diesem jungen Jahr nicht so schnell wieder passieren. Verspreche ich mir selbst.
16
September
...
"Ruhe bewahren" bedeutet ja auch manchmal nur, der inneren Hysterie einen wohlklingenderen Namen zu geben.
11
September
...
Und manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich mit meinem Lautsprecher kuscheln möchte, ihn eng umfassen und in ihn hineinkriechen, um einfach nichts, keinen einzigen Ton zu verpassen.
Man nennt es Ersatzhandlung.
02
September
Gesucht:
Wahrnehmungskatalysator.
Dringend.
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