Mann, schätzungsweise Mitte 50, sichtlich und olfaktorisch ungewaschen. Pöbelt zuerst lautstark im Vorraum der Bibliothek Studentinnen an, die sich dort unterhalten, dies sei ein Raum universitären Arbeitens und nicht das Café, taucht später mitten in der Vorlesung auf und verkündet, er habe im anderen Raum einen Platz reserviert und nun finde die Vorlesung einfach hier statt. Schnappt sich einen Stuhl, sitzt schräg vor mir und dünstet aus.
Bemerkt dies, nestelt eine Wasserflasche aus seiner Jacke, öffnet sie und spritzt sich Wasser ins Gesicht, anschließend trinkt er, steckt die Flasche wieder weg. Öffnet die Flasche umgehend ein zweites Mal, spritzt diesmal so viel Wasser in sein Gesicht, dass eine Menge davon nebenher auf zwei weitere Frauen und mich zuspritzt. "Angewidert" dürfte meinen Gesichtsausdruck am besten treffen, als ich sehe, dass das Wasser mich getroffen hat.
Mann schläft vorübergehend ein, wacht auf, stellt eine Frage, die gut beantwortet wird, hat aber noch immer nicht verstanden und faselt von "schwierigem Feld". Ich schaue ihn erstmals genauer an und stelle fest, dass er seinen Pullover auf links angezogen hat (und dies auch im Laufe seines folgenden Toilettenbesuches bei offener Tür nicht bemerken wird; da füllt er nur noch schnell mal Wasser auf).
Mann schläft wieder ein, Vortrag ist beendet, die Monologische geht und verpasst so seinen Beitrag zur folgenden Diskussion.

Und jetzt sagen Sie mir bitte, was das war.

wir hatten lange jemanden, der mit breitkrempigem hut über strähnigen haaren durch die flure irrte, in den veranstaltungen zwar den braunen popelinemantel auszog, aber den hut vergaß abzunehmen. uswusf.
sein name ist karl-heinz bohrer.

(nicht zu verwechseln mit dem ähnlichen typen ohne hut, der einen gelegentlich auf dem gang nach einem hubschrauber fragte. wegen der cia. der war tatsächlich verrückt. )

also, ich war das diesmal nicht.

das war die welt der sprachwissenschaft. willkommen.

Bestimmt ein soziologischer Feldversuch, zum Beispiel zur individuellen Ekelschwelle oder zur Verlässlichkeit von Zeugenbeobachtungen. Hat niemand Fragebögen ausgeteilt?

Das war bestimmt ein Performancekünstler ;-)

solche typen gab es hier auch, die sind in den späten sechzigern auf schlechtem lsd hängengeblieben und haben seitdem den campus nicht mehr verlassen. oder so. einer der immer barfuß rumlief oder höchstens in sandalen, zitat: ich als gerhard schröder bin eine lasagne. einer der sich abwechselnd als orthodoxer jude und als soldat im wüstenkampfanzug verkleidete und in der mensa propaganda machte, je nach gewand, der später dann irgendwohin verschwand weil er sich im rathaus auf eines der großen stadtmodelle geschmissen und dort rumgewälzt hat.

Vielleicht ein hochintelligenter und selbstbewusster Mensch, der in der glücklichen Lage ist, auf die Anerkennung Dritter nicht angewiesen zu sein und der einfach feststellen wollte, wie seine Mitmenschen reagieren, wenn sie glauben, einen stinkenden und ungepflegten Pöbler vor sich zu haben.

Oder einfach ein stinkender, ungepflegter Pöbler.