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07
März
Menschen fließen in verschiedene Richtungen, Ströme kreuzen sich, machmal prallen sie aufeinander. Einzelnes Wuseln entgegen der Strömung, quer zu ihr, durchbricht das einheitliche Bild. Mitunter bleibt jemand unvermittelt stehen und hält den Fluss auf.
Oben, an den Gleisen.
Die Frau, die frierend darauf wartet, in den Zug einsteigen zu dürfen, deren Gesichtsausdruck besagt, eigentlich will sie gar nicht. Nicht in den Zug einsteigen, nicht dorthin fahren. Sie klammert sich an ihren Plastikbecher Mitnahmekaffee wie an einen Strohhalm.
Der Mann mit der in Zellophan eingewickelten Rose. Geht unruhig den Bahnsteig auf und ab. Zerrt an seiner Jacke, prüft seinen Atem, verzieht angewidert das Gesicht. Verschwindet in Richtung Kiosk.
Die Mutter mit Kind, das an ihrem Arm hängt und hinter ihr hergeschliffen wird wie ein Koffer mit verdreckten Rollen. Auch die Geräusche, die es macht, sind ähnlich. Die Mutter würde das Kind gern prügeln, das sieht man ihr an; dem Kind macht die Sache Spaß, es macht sich etwas schwerer, lässt sich noch tiefer fallen, im sicheren Wissen, Mutter wird es schon halten.
Das äußerlich ungleiche Paar, sie zu groß und zu alt für ihn, beide aber offensichtlich innig davon überzeugt, zusammen zu gehören. In den Gesichtern: Liebe. Trennnungsschmerz. Die Bahn fährt ein. Ein letzter langer Kuss.
Die frierende Frau steigt in die Bahn, der Rosenmann eilt zu einer entfernten Tür, vergisst, seine Rose auszupacken, begrüßt eine Frau. Zögerlich umarmen sie sich, er hält ihr die Rose wie ein Schutzschild entgegen. Mutter schleift Kind erfolgreich über die Stufen in den Zug. Kind klemmt fest, fängt an zu weinen.
Mann steigt ein, schnellen Schritts, schaut sich nicht um.
Bahnsteig ist leer. Zug fährt ab.
Ich mag Bahnhöfe.
[Mitmenschen]

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Bahnhöfe
machen mich traurig. Sogar, wenn ich allerbester Laune bin, werde ich auf Bahnhöfen traurig.

Schöner Text, wunderbar geschrieben.
 
Warum machen sie dich traurig?

So viel Leben dort...
 
bahnhöfe machen traurig,
weil in dem vielen leben, das dort herrscht, besonders die option "scheitern" hervorsticht. es gibt kaum orte, an denen man so vielen menschen begegnet, mit denen man nicht tauschen möchte.
 
diese menschen sieht man dann besonders, wenn man ein auge darauf hat.

die krawattenträger, die schülerinnen und schüler, die arzthelferinnen und automechaniker, die bankangestellten und boutiqueverkäuferinnen, all die menschen die rege zur arbeit gehen oder von ihr kommen, all die menschen die ihre verwandten besuchen wollen, all die, die schnell noch einkaufen weil es so einfach ist im bahnhof, und all die jetzt in der kürze der zeit nicht weiter erwähnten...

...sieht man nicht mehr, obwohl sie das leben im bahnhof ausmachen...
 
Cato: Die Option "scheitern" zu sehen heißt für mich aber auch, dass ich mein eigenes Leben (ob nun besser, schlechter oder ähnlich, sei dahin gestellt) einmal wieder ein- bzw. wertschätzen kann.

Ansonsten mag ich den Pathos, der Bahnhofsbegegnungen innewohnen kann - für mich als Menschen, der einige Fernbeziehungen hinter sich hat, ist dieser Ort extrem positiv belegt.

Und, Herr pappnase, ich gebe Ihnen Recht, die unauffälligen Massen machen das Leben dort aus - die herausragenden Einzelpersonen machen es aber interessant.
 
Kann mich
Luise und Cato da auch nur anschließen.
Mich machen Bahnhöfe auch traurig, aber das ist reine Konditionierung, war früher mal anders. Ist Umkonditionierung möglich? Ich hoffe doch.
 
Ein wunderbares Stück Prosa
Ich habe eine wunderbare Erinnerungen an Bahnhof von Kamen (Westfalen) mit seinen einzigartigen Fußbodenkacheln (sie haben alles bereits modernisiert). Dort las ich an einem Sommertag Nabokovs Ada oder das Verlangen, weil ich plötzlich spürte ich müsse lesen und auf alles andere pfeifen.

Danke für das evokative Stück...
 
Das klingt nach einer eigenen, wunderbaren Geschichte...

Ella, siehe Antwort weiter oben. Ich bin überzeugt, dass Umkonditionierung möglich ist. Lass dich mal am Bahnhof von jemandem empfangen, der dir mit Laufschritt entgegeneilt und dich freudig anfällt (vom wie-uncool-Faktor mal abgesehen ist das wirklich erhebend :o))
 
Freudiges Anspringen
am Bahnhof kenne ich wahrlich - der eigentliche Grund für die Konditionierung. Jahrelang war Bahnhof für mich einfach nur die Station auf dem Weg zu meinen Eltern, warten, Kegelklubs auf dem Dortmunder Hbf ... Dann bin ich jedes zweite WE 4 bzw seit dem Sprinter 3 Stunden mit der Bahn gen Süden gefahren, wo ich eine Zeit lang auch freudig "angesprungen" wurde. Und noch heute kann ich keinen Bahnhof, insbesondere nicht den Kölner Bahnhof betreten, ohne daran zu denken.
Außerdem folgt dem "freudigen Anfallen" immer zwei Tage später der traurige Abschied ...
Umkonditionierung dringend benötigt.
 
Scheint mir auch so. Ich wünsche es dir. Nicht nur, um Bahnhöfe mögen zu können.
wechselnd anwesend seit 7718 Tagen
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