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07
Mai
Er stolpert laut vernehmlich in eine Grillparty, ohne etwas mitzubringen. Was nicht schlimm ist, denn wie üblich haben alle anderen viel zu viel mitgebracht.
Er redet mit breitestmöglichem Dialekt, und er redet laut. Mit seiner lauten Stimme reißt er jedes Gespräch an sich und wendet es in Richtung Musik, die er kennt (nicht so viel), und Myspace. Er verbringe jede freie Minute vor Myspace. Er erzählt, dass die "Streiterin" 1000 Myspace-Freunde habe, und das, wo sie doch erst so kurz dabei sei. Er selbst wolle es übersichtlich halten, seine 300 Freunde reichten ihm. Seine Freund- und Bekanntschaften scheint er fast ausschließlich von Myspace zu beziehen, über den Abend verteilt fallen Namen wie "Sternentänzerin", "Seelenfee" und ähnliche Kaliber. Neulich habe er eine rauschende Nacht mit einer Band verbracht, und die Fotos, die es bei Myspace zu sehen gebe, das seien nur die nicht zensierten. Es sei aber ganz wild gewesen. Er würde ja gern erzählen, aber, ach nein, lieber nicht. Am Ende jedenfalls habe ihn der Sänger der Band auf den Mund geküsst. Und all so Sachen. Er ist der weltgrößte Fan der Band, in der ein anderer der Gäste singt, und er wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass sein neuer Profilsong einer der Band sei; dass er bei jedem ihrer bisherigen Konzerte dabei gewesen sei; und wie toll er die Band doch finde. Er fotografiert bei einer Party, stellt ungefragt Fotos der ihm zum Teil völlig Fremden auf seine öffentliche Myspace-Seite und findet es "irgendwie strange", wenn diese Menschen ihn bitten, ihr Foto zu entfernen. Die "Streiterin", da ist er überzeugt, hört nur die "ganz harten Sachen"; in der Folge führt er Bands auf, die man allenfalls als Zweitaufbräu eines schlechten Zweitaufbräus einer pseudoharten Band bezeichnen kann. Ich bekomme einen Hustenanfall und kämpfe mit einem haltlosen Lachen. Der kbB versinkt tief und ratlos in der Hollywoodschaukel, in der wir gemeinsam sitzen, und das Gegenüber des Myspacemannes, der verehrte Sänger, grinst mich sehr breit an. Fast könnte der Myspacemann mir ein bisschen leid tun, denn er wurde vor ein paar Wochen von seiner Frau verlassen. Jedweden Ansatz davon macht er damit zunichte, dass er sich darüber beklagt, nun wieder selbst waschen und kochen zu müssen, was ihm die Freizeit leider sehr beschränke. Das Gute an der Trennung sei aber, jetzt könne er endlich mal Übernachtungsgäste, Sänger irgendwelcher Bands, zu sich nach Hause einladen. Er vermutet außerdem, es werde ihr sehr schwerfallen, wenn er wieder eine Freundin habe und sie noch allein sei. Später am Abend wird er sagen, er habe sich von ihr getrennt. Er isst reichtlich von allem, was ihm vor die Nase kommt. Dann beklagt er, aber noch kein Stück Fleisch gehabt zu haben. Man reicht es ihm und er schmatzt zufrieden. Dabei redet er weiter. Er redet überhaupt ununterbrochen, und ununterbrochen Unsinn, und er sitzt neben mir. Ein Entkommen, außer meinen regelmäßigen Ausflügen an den Grill, gibt es nicht. Ich ertrage Typen wie ihn nicht; ich hasse es, von den Banalitäten, die sie von sich geben, belästigt zu werden, ich will ihnen nicht zuhören und dabei freundlich bleiben müssen. Und dann schäme ich mich für mich selbst - darüber, dass ich den Myspacemann nicht einfach als das nehmen kann, was er ist. Zuallererst als einen Menschen, mit dem ich überwiegend nichts zu tun habe. Und dann als einen, der ein Recht darauf hat, anders zu sein als die Gesellschaft, die ich gern hätte. Und dann denke ich, ich muss mich doch schon die ganze Woche über mit Menschen abgeben, die ich nicht sehen oder hören möchte, warum denn bitte am Wochenende auch noch?! Und überhaupt. Vielleicht suche ich mir nächstes Mal erst einen Platz, wenn er schon sitzt. Weit weg. Und nehme gute Ohrenstöpsel mit.
fluechtig
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Es tut mir leid, aber das ist genau der Grund, warum ich allen Feiern hier im Ort aus dem Wege gehe. Ich weiß, dass es diesen Menschen wichtig ist, jenes, von dem sie erzählen, immer wieder und haarklein. Ich weiß, dass viele von ihnen nur diese Gelegenheit haben, überhaupt mit nicht zur Familie gehörenden erwachsenen Menschen von Angesicht zu Angesicht zu reden. Dennoch. Ich kann es nicht. Nicht zuhören. Nicht freundlich lächeln. Nicken. Nicht nicht aus der Rolle fallen. Nicht nicht den Kopf schütteln. Nicht nicht aus der Haut fahren.
Der Gedanke, dass es eben Menschen sind, die nicht anders können, nutzt nichts. Ich kann auch nicht anders. So als Mensch.
ein freund von mir erzählt auch immer die gleichen geschichten. aber die sind gut und real passiert und nicht aus dem netz.
(und eigentlich sind sie immer ein bisschen anders und er merkt es gar nicht, sie werden nicht schlechter davon;-) ich mag ihn dafür, denn er ist einer meiner besten freunde. außerdem war ich bei den meisten sachen dabei. snafu. MyspaceMan ist ne arme wurst. Ich höre mir auch mit Vergnügen die immerselben Geschichten an, wenn sie interessant, gut, lustig, von mir aus gern auch rührend sind.
Wenn nicht, tu ich mich schwer. Ad Wurst: Sie ham Recht.
Eine fremde, sehr weit entfernte Welt für mich, in die ich aber auch nicht unbedingt reisen möchte. So beeindruckend Sie die auch geschildert haben.
Ich ja auch nicht. Manchmal kann ich mich dann aber doch nicht wehren.
Seien Sie froh.
mephistobs
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Blöde Frage: warum bleibst du dann dort sitzen? :-)
Weil alle Sitzplätze belegt waren und am Grill nicht immer was zu tun war. Ganz einfach.
(Abgesehen davon war er laut genug für die ganze Runde, woanders hätte man nur mal probeweise versuchen können, ihn zu ignorieren).
mephistobs
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Tja, manchmal ist man dann der Gekniffene. Sieh es als sozialen Dienst an, dass du ihm keine Wurst ins Gesicht gefeuert hast.
ich hab ja jetzt immer ´ne kleine auswahl an stöpseln dabei. ich werd sie anbieten, bevor ich loslege.
das ist ja albtraumartig.... schade, daß ich nicht da war; hätte auch stopfen in groß - für die sprechöffnung - gebastelt.
Bitte bitte! Nennt mich ab jetzt alle nur noch „Seelenfee“...
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