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20
Dezember
Forever unforgiven.
Ich empfand mich selbst nie als rachsüchtig, im Gegenteil versuchte ich immer, die Beweggründe desjenigen, mit dem ich eine Auseinandersetzung hatte, zu verstehen, mich irgendwie auf seinen Standpunkt zu stellen und die Sache, wenn schon nicht von allen Seiten, dann zumindest aber von seiner Seite zu betrachten und bewerten.
Oft genug stand ich mir mit dieser Sichtweise selbst im Weg - Verständnis für alle zu haben führt im Regelfall nicht dazu, sich selbst im Recht zu sehen, und mit großer Sicherheit war ich es auch des Öfteren nicht.
Unabhängig davon, was passiert war, am Ende konnte ich in den allermeisten Fällen irgendwann damit umgehen und verzeihen, wenn es etwas zu verzeihen gab, um Verzeihung bitten, wenn es etwas gab, für das ich um Verzeihung bitten musste. In diesem Punkt war mein Selbstbild klar und ich mit mir selbst im Reinen.
Ich war. Bis vor Kurzem.
Seitdem ich weiß, dass ich Bücher auseinanderreißen und verbrennen kann, Seite um Seite, und jeder einzelnen Seite beim Eintauchen in die züngelnden Flammen einen widerlichen Wunsch für einen Menschen beifügen kann, wackelt mein Selbstbild.
Seitdem ich weiß, dass das Elend eines Menschen, welches meinem in nichts nachsteht und der zusätzlich durch egoistische und gedankenlose Schuld belastet ist, mich nicht davon abhalten kann, ihn abgrundtief zu verachten, ihm ins Gesicht zu sagen, wie sehr ich um seinen Anteil Schuld an dieser ganzen Misere weiß - seitdem ich weiß, zu wieviel schlechten Gedanken und Wünschen ich fähig bin, ist meine kleine Welt gleich doppelt erschüttert. Mein Selbstbild krümmt sich zusammen mit ihr am Boden, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Scheiß also der Hund drauf.
Von mir kannst du keine Absolution erwarten. Niemals.
140 Jahre, und jeder einzelne Tag eine einzige Qual.
[sub zero]

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es muss schlimm sein.

die nachsicht kommt eventuell später, wenn nicht, dann nicht ohne grund.

(aber schuld, die gibt es nicht)
 
Es ist schlimm, das alles, und es ist nahezu unerträglich.

(Wie würden Sie es nennen, wenn jemand jemand anderen zu etwas treibt; ihn durch sein Verhalten zwingt, etwas zu tun, was er unter normalen Umständen nicht in Betracht ziehen würde? Ich nenne das Schuld, in dieser Sache jedenfalls Mitschuld. Aber natürlich fehlt mir jede Distanz.)
 
alles bedingt sich gegenseitig und wenn man anders könnte und wollte, man täte es.
es gibt ja immer zwei seiten, auch wenn es betrüblich ist mitunter.
mitschuld hört sich schon gut an.
 
Zu mehr als Mitschuld kann es nicht kommen, soweit bin ich mit mir selbst im Reinen. Da wäre aber noch diese condicio sine qua non. Wenn ich die Ursache für etwas setze, was ohne das, was ich tue, vollkommen unwahrscheinlich wäre - zudem im Wissen darum, was die Konsequenzen sein können, kann ich mich nicht damit herausreden, es seien immer mehr als nur ich beteiligt und wenn ich könnte, würde ich ja anders. Das wäre dann doch etwas zu einfach.
 
Das Schuldempfinden ist etwas, was zeigt, daß man gegen sein eigenes Moralempfinden verstoßen hat. Rachebedürfnis entsteht, wenn man die Wut, die man auf sich selbst hat, auf jemand anderen umleiten kann, weil man denjenigen für diesen Moralverstoß verantwortlich machen kann. Ich finde es wichtig, dieses Gefühl auch genauso zuzulassen und nicht gleich wieder zu relativieren.
Wenn es dich drängt Bücher zu zerreißen und zu verbrennen und Verwünschungen auszustoßen, dann mach das. Am besten dazu gräßliche Musik hören und schreien - wenn das geht, ohne daß du damit deine Nachbarn in Angst und Schrecken versetzt.
Aber dein Rachebedürfnis und deine Verachtung ist letztlich immer gegen dich selbst gerichtet. Und deshalb ist es besser sie zu begrenzen. Es so weit wie möglich ritualisiert ausleben und dann gut sein lassen. Sand aufs Feuer und zuschütten die ganze Feuerstelle.
 
Hm. Wut auf mich selbst? Nicht wirklich. Eher so etwas wie subjektiv empfundene Schuld, deren objektive Widerlegung nicht ganz bei mir ankommt (Dieses "Hätte ich nur dies und das noch zusätzlich getan, dann wäre vielleicht...").
Heute morgen, als ich deine Ausführungen zuerst las, verstand ich sie nicht und wollte dich schon für verwirrt erklären ;) Imzwischen ist aber angekommen, was ankommen sollte. Vielen Dank dafür.
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