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18
Juni
Diaspora, Teil zwei
Warmer Schokokuchen! Seit gestern mag ich die Bahn wieder. Die servieren warmen Schokokuchen mit Sesam drauf. Phantastisch!
Einmal Verspätung inclusive Angst, den letzten möglichen Anschlusszug nicht zu erreichen, sowie ein halber Hitzeschlag wiedergutgemacht. Mindestens.

Das Dasein als Schulungsbeauftragte ist vorbei, zumindest vorläufig.
Was ich selbst gelernt habe in dieser zweiten Phase mit diesen anderen Teilnehmern: Die Tatsache, dass man selbst versucht, so geduldig, objektiv und freundlich wie möglich Menschen etwas beizubringen, auch wenn sie dumm, dreist und/oder unverschämt sind, führt nicht zwingend dazu, dass diese dann auch am Ende objektiv und freundlich zu sein versuchen. Insbesondere dann, wenn sie nicht Willens oder in der Lage sind, eine nicht besonders gute Beurteilung zu akzeptieren.
Die daraus resultierende, sehr gemischte Gegenbeurteilung, die über die Teilnehmer verteilt fast ausschließlich die Extrempositionen von "toll" bis "ziemlich schlecht" enthielt, kann ich, und das ist die eigentliche Leistung, nach gründlicher Reflektion meines Handelns als das nehmen, was sie ist: Im Guten eine Bestätigung meines Engagements für die Gruppe, im Schlechten die Retourkutsche, als die sie gedacht ist. Ich bin ein bisschen stolz auf mich selbst.

Neuerdings bin ich dann Projektarbeiter. Quasi. Was ich nach zwei Wochen solcher Arbeit sagen kann: Aus mir wird wohl kein hingebungsvoller Projektarbeiter werden; dafür wird zu viel geredet und zu wenig getan, ohne es vorher zerredet zu haben.

Die Sprachsoftware meines Handys schreibt "weird" statt "wird". Ich finde das ausgesprochen charmant und habe nicht vor, daran etwas zu ändern.

Über Vertrauen in der Freundschaft nachgedacht. Bauchschmerzen bekommen. Aber: Was soll's? Ich bin nicht der Maßstab der Welt, nur eben meiner.

Momentan halte ich mich unter der Woche in einer Region dieses Landes auf, in dem Männer von ihren Frauen oder Freundinnen scheinbar als "die Schnecke" sprechen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich amüsiert oder angewidert sein soll. OK, ich bin mir sicher: Letzteres.

Der Mensch, mit dem ich den derzeit größten Teil der Zeit verbringe, spiegelt mich gerade vermutlich unbewusst und führt mir vor Augen, wie sehr der Drang, zu allen Aussagen immer auch die Gegenaussage zu berücksichtigen, nerven kann. Neuerdings werden für mich sogar im Grunde genommen harmlose Gespräche über das Wetter zu so einer Art Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen von Regen, Sonne und sonstigen Wetterbewegungen. Mal sehen, welche Schlüsse ich daraus nun wieder ziehen werde.

Und wie mir dann doch die Beflissenheit mancher Mitmenschen den letzten Nerv raubt, dieses distanzlose Gefallenwollen. Als wäre das der Gipfel des Erreichbaren, des Wünschbaren. Und wie eine kleine, heisere Stimme in meinem Hinterkopf flüstert "Selber, Heuchlerin!"

Noch fünf Wochen in der Diaspora. Und dann vielleicht doch noch ein Rest Sommer in Berlin.

Zum Schluss mal wieder: Musik! Charmant und schick und wirklich gut gemacht, und außerdem eines meiner Lieblingslieder.
[Leben. All das.]
 
 
22
Mai
Diaspora, Teil eins (von vielen)
Als ich, mit Koffer an einer Hand und einem Mantel über dem anderen Arm, schwitzend und angenervt versuche, meine Stempelkarte aus dem Portemonnaie zu befreien, ohne auch die verschiedenen anderen Karten und mein Kleingeld zu verlieren, und dabei monolog-typisch einen etwas verpeilten Eindruck verursache, höre ich eine mir bestens bekannte, aber gerade eben nicht zuordenbare Stimme hinter mir fragen "Mono, bist du das?".
Und wie ich mich umdrehe und den just ebenfalls angereisten Lieblingskollegen aus Düsseldorf sehe, der auch eine Woche im Mutterhaus beschäftigt ist - was ein Zufall, in diesem Riesenkasten genau einen Menschen in genau dieser Minute zu treffen, den man wirklich gern trifft, zumal unverhofft. Das kommt ja bekanntlich oft, mir allerdings deutlich zu selten vor.

Die Woche also gerettet, viel kann mir nicht passieren, das Seminar kann kommen (ich hab ja immer Sozialangst). Diesmal recht unbegründet - nicht nur kenne ich den Trainer bereits, was ich in der Einladung wohlweislich überlesen haben muss, denn sonst wäre ich gar nicht erst hingefahren, außerdem sind die Teilnehmer dieses mal wirklich nett. Die meisten jedenfalls.
Also lerne ich Beziehungsohr von Appelohr zu trennen, übe noch ein paar schwierige Gespräche zu führen und freue mich ansonsten, den Trainer falsch eingeschätzt zu haben. Der redet nämlich zwar ungeheuer langsam, was aber gar nichts macht, wenn man selber keinen Stress hat, und den habe ich in dieser Woche mal nicht.

Kontakte geknüpft für die kommenden zwei Monate südlicher Diaspora, die mich sofort nach Hamburg erwarten. Kann nicht schaden, ich will da schließlich nicht vereinsamen.

Angst vor der dort auf mich wartenden Aufgabe. Und Vorfreude darauf. Das alles kann ungeheuer gut gehen, und ungeheuer schief.
Ich wage es, mit flatternden Lidern und klopfendem Herzen springe ich mitten in diese Aufgabe hinein, als ginge es um mein Leben. Und im gewissen Sinn tut es das auch.
[Leben. All das.]
 
 
wechselnd anwesend seit 7718 Tagen
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