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19
Juni
Meditativ ins Meer starren
können Sie übrigens hier. Manchmal ist es langweilig, manchmal albern, aber manchmal auch einfach atemberaubend.
[Leaving, on a jet plane. ]
 
 
07
Dezember
Ich glaube, ich habe in den letzten Tagen mehr Zeit an Flughäfen oder an Bahngleisen frierend und wartend verbracht als tatsächlich Urlaub zu machen.
Schön wars trotzdem.
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01
Dezember
Da fahren wir nun; wegen unseres frühen Starts um acht Uhr morgens haben wir eine Nacht im Café Größenwahn gestrichen, was uns womöglich ganz gut tat. Schließlich muss man seine Defizite nicht noch zelebrieren.



Nach meinem zweiten, abscheulich schmeckenden Kaffee kann ich die Augen soweit offen halten, um festzustellen, dass die Bahn zwar langsam, aber nicht langsam genug fährt, um scharfe Bilder der atemberaubenden Umgebung zu machen. Nach einem kleinen Nickerchen stelle ich fest, dass die Kamera ok ist, die Geschwindigkeit der Bahn ebenfalls, aber der uns umgebende Nebel dafür sorgt, dass die Fotos diesen eigenartigen, verwaschenen Eindruck machen. Dann ist ja alles gut.
"Neste stopp er Geilo" sagt der Bahnbegleiter; seit Stunden derselbe Anblick: Wasser, Wald und schneebedeckte Baumwipfel; Winterlandschaft, gelegentlich von einzelnen Häusern oder kleinen Siedlungen unterbrochen. Und ich, ich werde es nicht müde, hinzuschauen.



Wir genießen die Aussicht überwiegend schweigend (außer für gelegentliche, alberne Anwandlungen), im Gegensatz zu der Schwäbin auf einem der anderen Plätze, die ihren Begleiter darüber informiert, sie habe kein Gefühl für Kälte. Ich bin versucht zu ergänzen, dass sie ebenfalls keines für Lautstärke hat, aber warum sich aufregen? Stattdessen lieber norwegisch sprechen, um nicht identifiziert zu werden.



Die knappe Umsteigezeit in die Flåmsbana reicht wider meine Befürchtungen aus, und während meine Panik abklingt, fahren wir schon los, um in gut 50 Minuten Reisezeit um die 800 Meter Höhenunterschied zu überwinden und zum Ablegeort der Fähre zu gelangen. Phantastische Anblicke (mir gehen die Superlative aus)!
Auf der Fähre finden wir uns auf dem offenen Deck wieder; der Sonnenuntergang ist für 16 Uhr amgekündigt, also haben wir voraussichtlich nur eine Stunde mit klarer Sicht.



Wir stellen fest, das Wetter, wenngleich regnerisch - aber hey, wir sind im Fjord, wie sollte es da anders sein?! - gönnt uns eine knappe Stunde mehr Licht als erwartet. Leider drohen Finger und Ohren abzufrieren, also müssen wir öfter unterbrechen, um uns ein wenig aufzuwärmen.
Ohnehin ist der Kampf um geeignete Positionen für die Klischeepostkartenmotive groß und gelegentlich etwas verbissen geführt - also begnügen wir uns mit anderen Aussichten. Sich gegenseitig ins vor Kälte gerötete, nasse und glückliche Gesicht zu schauen ist doch noch immer das Beste.



Natürlich halte ich trotzdem auch, wie angekündigt, die Nase in den Wind, um die Entwicklungen der letzten Tage zu überdenken und zu einer Entscheidung zu kommen, wie es nun weitergehen soll.
Sie ist bereits in meinem Kopf herangereift, also heißt es nur noch, sie zu bekräftigen und zu formulieren. Und das tue ich. Sie bedeutet zwar das absehbare Ende meines Studiums, aber auch die Aussicht auf Weiterentwicklung, beruflichen Aufstieg und ein gesichertes, finanzielles Polster. Auch nicht zu verachten. In meinem Hinterkopf droht eine leise Stimme mit einem "Scheitern!, Scheitern"-Gesang, aber ich weiß, dass diese Entscheidung kein Scheitern ist. Ich entscheide freiwillig, dass dieses Studium sein Ende haben wird, nicht heute und morgen, aber in nicht allzu ferner Zukunft, und dass die verbleibende Zeit sowohl eingeschränkt als auch nicht von mir allein bestimmt sein wird.
Die Verwunderung über den Glauben, vielleicht doch mit diesem Beruf Frieden schließen zu können, überwiegt noch, aber ich glaube, ich bin, endlich, bei einem guten, bodenständigen Realismus hinsichtlich meiner Möglichkeiten angekommen.
Und erstmals ist diese Einschätzung nicht verbunden mit der Abwertung meiner Fähigkeiten. Ein gutes Gefühl. Ich will, dass es hält.

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03
November
So, Wär das jetzt auch mal geklärt: Café Mono ist jeden Tag geöffnet, die Zeiten sehen Sie einfach am besten selbst. Einlass: Egal. Machen Sie doch, was Sie wollen.


Tag am Meer. Na gut, ein Fjord tut's auch.


Ach nee. Und wer bestimmt die Waffen?


Ich: Ask me if I'm happy.
Bisschen Kunst. Fröhliche Eier. Muss man auch erstmal haben.


Zurück zum Fjord.


So schnell kann ein langes Wochenende um sein. Nicht im Bild: Der Rest der Reise.
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17
September
Und nachdem ich also daheim zwar super clustern kann, es aber wegen der mutzenseitigen Torpedierung in Form von Ranschleimen und Liegen auf Tastatur bzw. Arm oder Clusterblatt vor Tastatur nicht dazu kommt, die Ergebnisse niederzuschreiben, nehme ich nun also mein neues, braves Mutz, meine Jacke und das Laptop* und verschwinde nach weit weg - dorthin, wo ich neben der Nase in die Luft auch die Pfoten in die Arbeit halten kann, und nur der kbB so etwas wie ablenkenden Einfluss auf mich nimmt.
Gute Nacht.



[*Ich sehe in die Zukunft und: Streit ums Lan-Kabel!]
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30
August
Kurzzusammenfassung Norwegen (wenig überraschend).
Fünf Tage. Regen, Regen, noch mehr Regen.

Wie das aussieht, sieht man im Kommentar.
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22
März
Prag, die letzte.
Die Nacht ist ein Drama - um mich herum befinden sich Schulklassen, deren Durchhaltevermögen, selbst und wahrscheinlich gerade alkoholisiert, meines bei weitem überschreitet. Je später der Abend, desto hysterischer das Gelächter, desto unsicherer und wankender die Vorbeilaufenden. Aber ich war ja auch mal jung, also beschwere ich mich nicht, setze die Kopfhörer auf und versuche, die Jugend zu ignorieren, was nur bedingt gelingen will. Halligalli die ganze Nacht mach ich selbst oder mag es nicht. So geht wohl alt werden.
Da es weiterhin regnet und auch hier Museen montags tendentiell geschlossen haben, bin ich planlos, was zu tun ist. Das von mir angepeilte kubistische Museum hat zwar auch geschlossen, in seinem Museumsshop werde ich aber daran erinnert, dass ich die Galerie Futurista in Augenschein nehmen wollte. Dort bietet man hübsche Dinge feil, von denen ich einige kaufe - ein Kosmonautenshirt für den, der bald Geburtstag hat, und auch etwas für mich selbst, ein Künstlerbuch, das osteuropäische Flyerkunst präsentiert, namens I wanna be your dog. Könnte ich auch mal wieder hören, fällt mir dabei ein.



Im Bric a Brac, einer Ansammlung mehr oder minder antiker Preziosen, das ich mangels auffindbaren Flohmarktes aufsuche, gefällt mir mit traumwandlerischer Sicherheit eine unbezahlbare, riesige Kakaodose von Anfang des 20. Jahrhunderts.
Draußen stelle ich mit Erschrecken fest, dass Jan Saudek, der mit den schrecklichen Mann-Säugling-Fotos in schwarz-weiß, hier eine ganze eigene Galerie betreibt. Gruselig. Fehlt nur noch Rosina Wachtmeister in der Nachbarschaft.
Weil es endlich mal nicht regnet, mache ich mich auf den Weg zur Schäl Sick Prags, das Hradčany. Endlich darf ich wieder Metro fahren und mich an den farb-und formschönen Stationen freuen. Ich stelle fest, einige der Rolltreppen können es an Höhe und Geschwindigkeit durchaus mit denen Londons aufnehmen - als ich wegen eines unerwarteten Huckels im Boden direkt vor der Rolltreppe mich bereits mit gebrochenem Genick sehr schnell ganz unten landen sehe, merke ich mir vorübergehend, dorthin zu schauen, wo es wichtig sein könnte.



Drüben angekommen, erklimme ich eine 250-Stufen-Treppe und beschließe erschöpft, erst einmal Rast machen zu müssen. Das auf dem Weg liegende Oma-Cafe mit Grammophon, durchgesessenen Chaiselongues und alten Bügeleisen auf der Treppe, das eine Dependance meines Lieblingsteehauses daheim, Schorschs Teehaus, sein könnte, bietet sich da geradezu an.
Die Bibliothek, die ich besichtigen möchte, ist vorübergehend geschlossen, sodass ich mich zur Taverne der sieben Schwaben (keinen einzigen gesehen) durchfrage, einem heimelig und düster eingerichteten Restaurant mit Wandmalereien, Folterkammer und getrocknetem Hopfen in den Durchgängen. Ein mittelalterlich gekleideter Kellner, nicht a. (für authentisch), wie die B. grinsend anmerken würde, stellt mir zuallererst mal eine Schale voll geröstetem Mais vor das dunkle Bier. Das ist mein Mann! Sehr erdig, das alles hier. Dunkle Holzbänke und -tische, mittelalterliche Ritterrüstungen, irdenes Geschirr. Daheim möchte ich das natürlich alles nicht haben, aber hier passt es. Das Essen schmeckt gut, das Bier erst recht, und passend als ich gerade fertig bin, fällt eine bunte Touristengruppe ein, die reserviert hat. Einer, der Reiseleiter, verteilt und erklärt die Karten, bestellt anschließend für alle. Soviel Fürsorge ertrage ich gerade nicht; also raus, denn ich will ja auch noch das Denkmal "Trabbi auf Beinen quo vadis" an der deutschen Botschaft sehen.



Meine letzte Mission: Geld loswerden. In Unkenntnis der preislichen Gegebenheiten habe ich zu viel davon umgetauscht und nun Not, es loszuwerden. Der Billa, ein großer Supermarkt, hat allerdings Becherovka in Massen im Angebot, und so setze ich dort um, was noch umzusetzen ist, für viele leckere Cocktails daheim. Am Abend habe ich etwas vor, auf das ich mich freue, weil ich es daheim kaum tue: Fernsehen. Dr. House, und das ist nicht diskutabel.
Am nächsten Morgen geht es dann auch schon wieder nach Hause, um nur ein ganz paar wenig lange Stunden verzögert durch streikende Flughafenbedienstete, in denen ich mir von daheim per SMS mitteilen lasse, wie der Stand der Dinge ist, und in denen der männliche Teil eines Rentnerehepaares mir eine Klinke ans Ohr quatscht sich nett mit mir unterhält. Beim Thema Vorratsdatenspeicherung sind wir gänzlich unterschiedlicher Meinung, und damit hat sich sein Interesse an mir dann auch erledigt.
Ich bin und bleibe ratlos, was ich von dieser Stadt halten soll. Klar, sie ist schön, aber Schönheit allein hat mich noch nie gereizt. Ihr fehlt ein wenig das Subversive, vielleicht auch Studentische; mir fehlt an ihr das Spannende, auch der Gegensatz zwischen Altem und Modernem, ich langweile mich ein bisschen; gerade hier, wo es schon geschichtlich bedingt alles andere als langweilig sein dürfte. Vielleicht ist das alles aber auch nur ein wetter- und stimmungsbedingtes Missverständnis. Wer wäre ich, über diese Stadt zu richten?
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09
März
Prag, die zweite.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne, also beschließe ich, das gute Wetter für das versprochene Mitbringsel, ein Foto von Rabbi Löws (der mit dem Golem) Grab zu nutzen und mache mich auf den Weg zum alten jüdischen Friedhof. Ich rechne damit, um diese Zeit, immerhin ist es erst kurz vor neun, fast allein dort zu sein. Weit gefehlt, eine lange Warteschlange draußen, viele Menschen drinnen, die sich durch die Grabreihen schieben. Ich beschließe, für das zweifelhafte Vergnügen daran teilzuhaben die geforderten umgerechnet zwölf Euro Eintritt nicht zahlen zu wollen, Rabbi Löw hin, Gültigkeit der Karte für alle Synagogen und noch irgendeine Ausstellung her. Ich will nicht alle Synagogen besichtigen, Meister Trotz sagt also "Fort hier!". Als ich weiterlaufe, fängt es auch schon wieder an zu kübeln, also geht es mit einem kurzen Umweg über ein nicht weiter nennenswertes Café ins Museum des Kommunismus.



Peinlich, und ein bisschen erschreckend auch, wie wenig ich von der jüngere Geschichte dieses gar nicht so weit entfernt liegenden Landes weiß. Glücklicherweise hat man auch dort allerlei Informationen in kleinen Häppchen aufbereitet, gerade so, dass der Tourist ansich nicht überfordert ist, das Ganze dann liebevoll mit Bildern, Fotos und Einrichtung untermalt. Ein Video zeigt Fernsehaus- und Amateurmitschnitte der samtenen Revolution, die beklemmende Atmosphäre eines aufgestellten Verhörzimmers lässt sich noch erahnen.

Weil es noch immer regnet, als ich das Museum verlasse, beschließe ich etwas für mich Untypisches: Ich gehe shoppen, bzw. Läden anschauen. Außer einem Bata, das ich seit Jahren in Deutschland vermisse, stoße ich dort fast ausschließlich auf Geschäfte, die ich daheim ebenfalls vor der Nase habe. Unspannend.
Zur vollen Stunde schaue ich mir das Spektakel an der astronomischen Uhr des Altstädter Rathauses an. Mit mir gaffen Hunderte, alle wie ich, Kopf nach oben und angestrengt nach dem Sensenmann Ausschau haltend (ich seh ihn nicht). Gestern abend war ich bereits auf die Werbung der Galerie Godot gestoßen, die aber geschlossen war. Heute ist sie geöffnet; kaum eingetreten, finde ich mich mit dem Galeristen in ein Gespräch über den Maler des Bildes, das ich zuallererst entzückt anstarre, verwickelt; außerdem erfahre ich, dass er selbst auch Maler ist. Aha. Ich überlege eine Weile, warum mir der Name des Malers so bekannt vorkommt, bis mir einfällt, dass in Russland ja gerade gewählt wurde. Andrej, nicht Dmitry.




Kaum damit klar im Kopf, muss ich mit dem Galeristen darüber diskutieren, warum ich das Geld für den bereits reduzierten Sympathiepreis des tollen Bildes nicht habe, also auch nicht ausgeben kann und will und wieviel Geld ich zukünftig für Kunst auszugeben gedenke. So langsam werde ich genervt (scheint zum Dauerzustand zu werden).
Bevor ich gehe, kaufe ich allerdings noch unter herablassenden Blicken des Galeristen das Galerieplakat mit dem traurigen Jungen, der mich sehr an jemanden erinnert, an den ich eigentlich nicht erinnert werden will, und zwei Drucke fürs Schlafzimmer, denn woanders kann ich die, ähnlich wie meinen Janssen, nicht hinhängen, ohne zart besaitete Besucher potentiell zu verschrecken.
Belustigt nehme ich zur Kenntnis, dass die in den Bürgersteig eingelassenen Hinweisschilder für die silberne Route "Goldenes Prag" scheinbar aus Bronze gefertigt wurden. Ein Second-Hand-Laden lockt mit schöner Außenbemalung, entpuppt sich aber eher als Mottenkiste. Vintage geht irgendwie auch anders, wenn man mich fragt. Aber mich fragt ja niemand, deshalb führe ich ein Blog.



Die John Lennon-Mauer, einst Symbol für den Freiheitsdrang der Bevölkerung, von offizieller Stelle immer wieder überstrichen, wird dieser Tage der Sage nach noch täglich von Besuchern ergänzt. Heute ist freilich von John Lennon nichts mehr zu sehen.

Fürs Abendessen, ein formidables Goulasch mit Klößen (natürlich!) und Rotkohl, folge ich einem Tipp und begebe mich in die Lucerna-Passage, die von der Bronzeplastik eines überkopf hängenden Pferdes, auf dessen Bauch ein Reiter sitzt, dominiert wird. Vom Goulasch und dem süffigen Schwarzbier namens Kosel wäre auch mein Opa sehr begeistert gewesen, der ein Faible für weiches Fleisch und passende Getränke hatte.
Bereits jetzt bin ich ich wenig ratlos, was ich mit den restlichen Tagen, für die weiterhin Regen angesagt ist, anfangen soll - entweder ist die Stadt mir zu langweilig oder ich habe meine Fähigkeiten zum Enthusiasmus schon in Berlin aufgebraucht.
Auf dem Rückweg ins Botel spiele ich modernes Vater, Mutter, Kind mit zwei Straßenfiguren. Leider ziehen Vater und Kind gerade aus, scheint mir. Ich greife ins Leere. Tja. Zur Sicherheit verschreibe ich mir selbst für den nächsten Tag ein Ausschlafen. Kann ja nicht schaden.
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08
März
Prag, die erste.
Bereits der Hinflug ist alles andere als ein Vergnügen - während eine Vielzahl anderer Reisender die sturmbedingten Hüpfer und Absacker offenbar "total witzig" findet und dies juchzend in die Welt trompetet, bange ich zuerst um mein Leben, dann um den Inhalt meines Magens, bis mir einfällt, dass es aus Zeitmangel und Fehlplanung gar keinen Inhalt gibt, also bange ich schlussendlich doch wieder um mein Leben.

Froh, den Naturgewalten vorerst entkommen zu sein, mache ich mich mit einigermaßen festem Boden unter den Füßen auf in Richtung Botel - ein fest verankertes Hotelschiff auf der Moldau, was mir beim Buchen noch irgendwie reizvoll schien.
Leider liegt die nächste Metro-Station ungefähr zwei unwegsame Kilometer durch Matsch, verlassene Parks und Tunnel, durch die selbst ich, der das gesunde Gefühl für Angst an passender Stelle vollkommen abgeht, nachts nicht allein gehen möchte, vom Botel entfernt (Warum habe ich das eigentlich beim Buchen nicht bemerkt?). Außerdem verlaufe ich mich, denn auch eine rudimentäre Straßenbeschilderung ist in diesem Teil Prags nicht vorhanden. Mittelmäßig angenervt denke ich noch Toll, es könnte ja jetzt noch anfangen zu regnen. Gedacht - geschehen. Danke. Fluchend schlage ich mir den dreckigen Koffer vor das bis gerade eben noch saubere Hosenbein, um dann festzustellen: 1. Alles Scheiße hier, 2. Ich bin verloren, aber sowas von, denn inzwischen befinde ich mich vor einem Straßenschild, das sich nicht auf meiner Straßenkarte befindet. Ich bin vom Rand der Welt gefallen, quasi. Also den ersten Passanten anhalten, nach dem Weg fragen, Hilfe bekommen. Später stelle ich dann auch fest, es fahren Bahnen bis fast direkt vors Botel, die keine Metro sind, sich demzufolge nicht auf meinem Metroplan befinden.



Ich weiß nicht, ob Sie es schon (oder noch) wissen, aber ich bin ja gelegentlich etwas planlos, was im näheren Umfeld bereits zur Anrede als "Frau Verpeiltolog" führte; jedenfalls brachte mir diese Planlosigkeit einen ordentlichen Spaziergang mit nichtleichtem Gepäck ein, der vermeidbar gewesen wäre, hätte ich meine Hotelunterlagen (darum habe ich das beim Buchen nicht bemerkt, weil es noch nichts zu bemerken gab!) oder ein paar mehr Webseiten zum Prager Verkehrssystem gelesen. Stimmungshebend, das.
Mein Zimmer im Botel liegt nach ein paar Verhandlungen auf der der Moldau anstatt der scheinbar örtlichen illegalen Müllabladestelle zugewandten Seite, vor meinem Fenster quaken Enten und die Sonne zeigt sich. Außerdem stinkt es im Zimmer nach Pisse. Die Laune erreicht atemberaubende Höhen.

Schnell die Sachen verstaut und raus, die Stadt anschauen, denn dafür bin ich schließlich hier. Dank meines frischen Straßenbahnwissens erreiche ich meinen Startpunkt innerhalb von nur zehn Minuten, wo auch andere Touristen bereits Regen, Sturmböen und einer insgesamt eher unfreundlichen Atmosphäre trotzen: die Karlsbrücke; was mir bald aber zu ungemütlich wird, also ab ins Foltermuseum.



Dort wird es angesichts der verschiedenen Foltergeräte zwar auch nicht so richtig gemütlich, aber es ist trocken, und die Gerätschaften sind durchaus interessant. Beim Lesen der Beschreibungen laufen mir kleine Schauer den Rücken herunter, und ich bin mir nicht sicher, ob ich die Erfinder für ihre kreative Art des Quälens bewundern oder mich lieber fragen soll, wie krank ein Geist für derartiges sein muss. Anders als im Edinburgher Torture Museum sind die Gerätschaften hier allerdings in eher steriler Umgebung vor weißen Wänden ausgestellt, was ihnen weitaus mehr Wissenschaftlichkeit verleiht als dies in den dunklen Edinburgher Katakomben möglich gewesen wäre.

Später denke ich über den Kauf von Glühwein und Punch nach, entdecke aber niemanden, von dem ich mich gern schlagen lassen würde, also weiter. Immerhin, nebenan gibt´s Sünde und Zukunft im Outlet Center. Ich erwerbe gleich ein paar mehr - also, Zukunften jetzt, denn man kann ja nie wissen. Und wenigstens sind sie hier preiswert zu kriegen, wann hat man das schonmal.



Ich ertappe mich dabei, ausschließlich für ihn, denn niemand sonst würde es zu schätzen wissen, ein Foto zu machen, das er nicht mehr wird anschauen können, ihm eine SMS schicken zu wollen, die er nicht mehr lesen kann. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt.
Im Restaurant namens "Solide Verunsicherung" esse ich in ebensolchem Zustand mangels greifbarer Alternative einen Burger und fange an, mich mit Gin Tonic zu betrinken, bis mir einfällt, dass ich ja noch was vorhabe: Den Weg ins Botel zurück zu finden nämlich. Also schaue ich mich nur noch ein bisschen um und beschließe, am nächsten Tag im Hellen nochmal genauer hinzuschauen, denn so schlecht sieht das hier dann doch alles gar nicht aus.
[Leaving, on a jet plane. ]
 
 
05
März
White-Out Condition.


Die meiste Zeit in diesem Urlaub zugebracht mit Warten.

Warten auf von umgewehten Bäumen befreite S-Bahn-Schienen. Warten auf den Start, nachdem zwei bereits im Flugzeug befindliche Passagiere ihr gesamtes Gepäck zurückerhalten und das Flugzeug wieder verlassen haben. Warten auf das Ende des Regens. Warten auf das Ende der Lärmerei in den von mindestens drei Oberstufenklassen bevölkerten Nebenzimmern, morgens gegen drei. Warten auf Einfälle, Ausfälle und Zwischenfälle.
Und am Ende wieder Warten auf das streikbedingt zu spät kommende Flugzeug, das mich zurück nach Hause bringt.
Dahin, wo es doch irgendwie am schönsten ist. Wo das Warten ein Ende hat.
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